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Ein Glücksfall, nicht nur für die Stadt
Bereits am Karfreitag ist Gerhard Lang, ehemaliger Erster Bürgermeister von Stuttgart, im Alter von 92 Jahren gestorben. Wir haben den Wunsch des Degerlochers respektiert, erst nach der Todesanzeige unseren Nachruf zu veröffentlichen.
von stephan hutt
Der Degerlocher feierte am 18. August 2021 seinen 90. Geburtstag. Zu diesem Anlass kamen viele Weggefährten, Mitbürgerinnen und Mitbürger in die Versöhnungskirche, um Gerhard Lang ihre Ehre zu erweisen. Darunter die ehemalige Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin und Oberbürgermeister Frank Nopper (Bild). Gesundheitlich war Lang zu diesem Zeitpunkt schon etwas angeschlagen, kürzlich ist der Degerlocher im Alter von 92 Jahren gestorben.
"Er war nicht nur ein Glücksfall für die Stadt", sagte einst sein Chef, der ehemalige Stuttgarter Oberbürgermeister Manfred Rommel. Er war auch ein Glücksfall für die SPD. Lang, der früher am Waldenbucher Platz und dann in der Leinfeldener Straße wohnte, verbachte seine letzte Lebensphase im Haus auf der Waldau. Der Buchautor und Hobbymusiker, der gerne an örtlichen Veranstaltungen und Festivitäten teilnahm, hat sich durch unermüdlichen Einsatz für sozialdemokratische Belange ausgezeichnet. So war er als Bürgermeister bekannt, für die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger ein offenes Ohr zu haben und sich um die Belange der Angestellten der Stadtverwaltung zu kümmern. "Er war der einzige Feminist im Stuttgarter Rathaus", sagt die Tochter des Degerlocher Parteigenossen und ehemaligen Stadtrats Helmut Doka, die beruflich mit Lang zu tun hatte. Ihre Aussage bezieht sich auf die Art und Weise, wie sich Stuttgarts Erster Bürgermeister auch um das Wohlergehen der städtischen Mitarbeiterinnen kümmerte.
Ähnlich positiv drückt sich Bezirksvorsteher Colyn Heinze aus: "Die Nachricht von seinem Tod machte mich sehr traurig und betroffen. Für mich persönlich war er ein großes Vorbild als pragmatischer, kommunaler Sozialdemokrat - und als Mensch." Besonders am Herzen lag dem Stellvertreter von Manfred Rommel stets die Versöhnung mit ehemaligen jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern und die Völkerverständigung. Lang, der gerne musizierte und mehrere Bücher veröffentlichte, war aber auch für sein soziales Engagement im Ehrenamt bekannt. Er war Vorsitzender des Trägervereins der Volkshochschule und hat fast 20 Jahre lang den Stuttgarter Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes geleitet.
In seine berufliche Amtszeit fielen dem "Mann des Sports", der ein hervorragender Redner war, mehrere Großereignisse wie die Leichtathletik-Europameisterschaft 1986 oder die Rad-Weltmeisterschaften 1991. Zwei Jahre später wurde der über Parteigrenzen hinweg geschätzte Politiker Erster Bürgermeister der Landeshauptstadt Stuttgart. Für seinen Einsatz und seine Errungenschaften erhielt Lang die Bürgermedaille. Trotz all der Lorbeeren und Verdienste ist der sympathische und humorvolle Degerlocher stets bescheiden geblieben und wirkte nie überheblich oder arrogant. Die Verleihung eines Bundesverdienstkreuzes lehnte er mit den Worten "so ein Bundesverdienstkreuz passt einfach nicht zu mir" vehement ab. Das sagt ziemlich viel aus über den Charakter und die Denkweise von Gerhard Lang.